Sehr geehrte Senatorin für Bildung, Jugend und Familie des Landes Berlin, Frau Scheeres,
die Beantwortung der aktuellen Kleinen Anfrage zu Altersschätzungen bei minderjährigen Ausländern hat in Helferkreisen nur noch zwei Dinge ausgelöst: Ungläubigkeit und Empörung. Das einzige, was sich aus unserer Sicht bei diesem Thema in den letzten beiden Jahren verbessert hat, sind die Textbausteine der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie.
Die Antworten stehen komplett konträr zu dem, was Beratungsstellen tagtäglich in der Praxis erleben. Fakt ist, dass Jugendliche, die sich gegen eine Volljährigkeit als Ergebnis der sogenannten qualifizierten Inaugenscheinnahme wehren (und nicht nur die), nach wie vor obdachlos werden, so sensibel ist die Überleitung ins Erwachsenensystem. Auch der erlebte zwischenmenschliche Umgang mit den betroffenen Jugendlichen steht im krassen Kontrast zu den scheinbar wertschätzenden Worten in dieser Kleinen Anfrage. Auch der Charité fehlt es an Einfühlungsvermögen: Zuletzt wurde ein Jugendlicher bei einer medizinischen Begutachtung zu seinem Alter solange bedrängt, sich vollständig auszuziehen, bis er angefangen hat zu weinen. Diese sehr sichtbare Angst des Jugendlichen hat das Personal vor Ort in keinster Weise irritiert. Vielmehr wurde der weiter bestehende Widerstand des Jugendlichen zum Anlass genommen, den begleitenden Ehrenamtlichen damit zu drohen, dass man ihnen die verweigerte Untersuchung in Rechnung stellen würde. Die Drohung darf durchaus vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass die Termine mit Röntgen- und Zahnuntersuchung sowie körperlicher Begutachtung der Charité pro Fall vierstellige Beträge einbringen. Nur für was?
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